Aus der Geschichte des Kasernenflügels Ost im Festspielhaus Hellerau entsteht zukünftige Verantwortung
Der Kasernenflügel Ost Hellerau wird für eine Erweiterung der Kulturlandschaft am Festspielhaus saniert, heute ist Richtfest.
Dabei gehörte der Bauteil gar nicht zum 1911 von Heinrich Tessenow entworfenen Bauensemble der Reformschule, sondern wurde 1938 von den Reichsbaubehörden im Zuge der Umnutzung des Geländes zur Polizeischule hinzugefügt. Die Piazza, die sich vor dem Festspielhaus eingerahmt von kleinen Logierhäuschen ergab, wurde durch die riegelartigen langen Kasernenflügel West und Ost gestört und die ursprünglich vorhandenen Ost-West-Verbindung zwischen Urnenfeldweg und Heinrich-Tessenow-Weg abgeschnitten. Eine verbindende Kreuzung wurde zum sich nach außen abschottenden Kasernenhof.
Genutzt wurde die Polizeischule als Unterführer-Lehrbataillon und als Polizei-Waffenschule Hellerau zur infanteristischen Ausbildung des Personal für die berüchtigten Polizeibataillone der Heinrich Himmler unterstehenden Ordnungspolizei. Die Polizeibataillone wirkten besonders im besetzten Hinterland im Rahmen der sogenannten Bandenbekämpfung und waren mit der Deportation von Juden und Räumung von Ghettos tragende Säulen im Holocaust. Zuletzt ging unter anderem aus dem Personal der Polizeischule Hellerau eine der letzten SS-Divisionen hervor, die im Februar vom Truppenübungsplatz Königsbrück an die Ostfront geworfen wurde, die 35. SS-Polizei-Grenadier-Division unter dem Kommando des Polizei-Oberstleutnants und SS-Oberführers Johannes Wirth, der schon in den 1920er Jahren – obwohl im Polizeidienst des Innenministeriums stehend – in Dresden nach Feierabend die SA ausgebildet hatte.
Auf der Suche nach Geld wurde der Kasernenflügel Ost vom Landesamt für Denkmalpflege als nationales Kulturdenkmal eingestuft. Denkmalwürdig sei vor allem der Ludwig-Kroher-Dachstuhl, der als Raumtragwerk eine besondere Ingenieurleistung darstellen würde. Theoretisch mag das stimmen. Praktisch wurde der Dachstuhl kaum ausgeführt. Denn der Ersparnis an Material stand ein unverhältnismäßig hoher manueller Aufwand gegenüber, um die vielen Einzelteile aneinanderzufügen. Außerdem – entwickelt 1938/39 – kam die Konstruktion schon wegen des fast völligen Erliegens des Hochbaus während des Krieges kaum zur Ausführung. Nach dem Krieg wurde auf einfachere Sparkonstruktionen zurückgegriffen.
Am Ende ist nicht einmal diese Konstruktion unschuldig. Als Reaktion auf die Materialknappheit in Deutschland entstand er im Zuge von Hermann Görings Vierjahresplan. Neben der hälftigen Materialersparnis und mit schnellerem Baufortschritt wurde die Konstruktion mit einer „Brandbomben-Durchschlagsicherheit 20 mal so groß wie beim alten Dachstuhl“ beworben, wie der Beilage zum „Baumeister“ Heft 1 Januar 1939 zu entnehmen ist.
Aufgrund der paramilitärischen Nutzung des Objektes bis 1945 verstetigte die sowjetische Besatzungsmacht den Standort als Kaserne bis 1993. Während bis 1945 eine interessante Quellenlage wartet, gehoben zu werden, steht die Aufarbeitung der Geschichte des Objektes von 1945 bis 1993 noch am Anfang – hat aber durch die gegenwärtigen Ereignisse an Dringlichkeit gewonnen.
Tilo Wirtz, Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften: »Möge die zukünftige Nutzung des Kasernenflügels Ost friedlichen Zwecken dienen. Wer miteinander singt, tanzt, musiziert oder spielt, schießt nicht aufeinander. Kultur ist eine grenzübergreifende verbindende Erfahrung. Die Vergangenheit darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. Derzeit läuft ein Projekt der Aufarbeitung der Geschichte.«
18. Juli 2022